Konformistisch & legal?

 

Umzug

Es ist so weit: Mitte Juli, sechs Monate nach Beräumung und siebeneinhalb Monate nach Besetzung der Fläche, haben wir, das Kollektiv Gerädert, den Wagenplatz Anna Ecke mitsamt Pachtvertrag in der Tasche wieder bezogen.

Was ist in den letzten Monaten passiert?

Zur Auffrischung der Erinnerung:

Am 5. Dezember 2015 hat das Kollektiv Mora Riesa in Paunsdorf einen Platz besetzt und wurde am 9. Dezember umgehend geräumt. Am 10.12. ließ Heiko Rosenthal (Ordnungsbürgermeister) sich in der LVZ zitieren, dass die Stadt Leipzig über keine städtischen Flächen verfüge, die für Wagenplätze geeignet wären. Am 13.12. haben wir, das Kollektiv Gerädert, den Wagenplatz Anna Ecke besetzt. Am 17.12. hat die Stadt uns einen Räumungsbescheid zukommen lassen. Wenige Tage später bekam auch der Wagenplatz am Jahrtausendfeld die Räumungsaufforderung.

Viele Gespräche mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer (ASG) sowie mit Stadträt_innen verschiedener Parteien folgten. Während dieser Verhandlungen wurde klar, dass die Stadt Leipzig um jeden Preis ihr Gesicht wahren wollte: Nur die freiwillige Beräumung der Fläche hätte eine Aussicht auf die Legalisierung des Wagenplatzes geboten, da „mit Besetzer_innen nicht verhandelt wird“. Der Beginn der Vertragsaushandlungen während der Besetzung wurde von der Stadt wohl nicht als solcher aufgefasst.

Als Gruppe, die davor auf dem Wagenplatz am Jahrtausendfeld unter permanenter Räumungsbedrohung lebte und Wohnen im Wagen mit Perspektive brauchte, haben wir uns letztendlich am 23. Januar 2016 dazu entschieden, diesen riskanten Schritt zu wagen.

Die Bedingungen, die wir unserem Auszug vorausschickten, wurden nur zu Teilen erfüllt: Zwar erhielten wir die schriftliche, wenn auch nicht offizielle, Zusage über die Aufnahme von Verhandlungen über einen Pachtvertrag; doch hielt die Stadt sich nicht an die versprochene und eingeforderte zeitliche Dauer. Entgegengesetzt des von uns angekündigten Zeitraums von 6-8 Wochen, innerhalb derer wir auf die Fläche zurückkehren wollten, haben wir weitaus länger gewartet. Die für die Vertragsunterzeichnung notwendige, und letztendlich für uns positive Stadtratsentscheidung, wurde aus mehreren Gründen mehrfach verschoben. Wir möchten anmerken, dass während dieser ganzen Zeit der zuständige Politiker, Heiko Rosenthal, kein einziges Mal auf unsere Kontaktaufnahmen und Gesprächsangebote einging und die Verhandlungen stattdessen an das ASG delegierte, ohne dass das Amt irgendeine Entscheidungsbefugnis hatte.

Letztendlich haben wir am 11. Juli 2016 einen Pachtvertrag über fünf Jahre unterschrieben. Obwohl sechs Monate lang über einen Zeitraum von 10 Jahren geredet wurde, änderte die Stadt dies einige Tage vor Vertragsunterzeichung, ohne dies mit dem Kollektiv explizit abzusprechen. Wir sind uns darüber bewusst, dass dies keine Verhandlung auf Augenhöhe ist und haben uns trotz der Änderung dazu entschieden, den Vertrag zu unterzeichnen und uns mit einer Vertragsverlängerungsoption zufrieden zu geben. Ansonsten hätte eine Sitzung abgewartet werden müssen, die erst im September tagt. Noch so lange zu warten, konnten und wollten wir uns und unseren Freund_innen, die uns in den letzten Monaten aufgenommen haben, nicht zumuten.

Wir haben den Weg der Legalisierung gewählt, auch um den Menschen in Leipzig zu zeigen, dass die Politik nicht an mangelndem Platz für Wagenplätze leidet, sondern an Unwillen: Sechs Monate nach der Behauptung des Ordnungsbürgermeisters, dass keine einzige Fläche für Wagenplätze zur Verfügung steht, entsteht ein neuer Wagenplatz auf städtischem Grund. Und wir wollen gerne wetten, dass dies nicht das letzte Gelände ist, das die Stadt Wagenmenschen absichtlich vorenthält. In unserem Fall hat die Stadt jedoch bewiesen, dass ein konstruktiver Umgang mit dem Thema Wagenplätze möglich ist.

Wir haben den Weg der Legalisierung gewählt, aber lassen uns weder von der Stadt Leipzig als vermeintliches Paradebeispiel ausnutzen, noch gegen andere Wagenplatzformen ausspielen. Wir unterstützen explizit Besetzungen, Menschen, die darauf wohnen und Menschen, die in Zukunft besetzen werden. Es gibt noch Bedarf an Wohnraum, das Thema ist noch lange nicht abgeschlossen.

Wir sind nach wie vor überwältigt von der Solidarität, die wir während der Besetzung erfahren haben und danken unseren Freund_innen, die uns nach der Besetzung unterstützt haben.

Nun aber: wie geht’s weiter?

Wir richten uns heimelig ein, arbeiten an unserem Selbstverständnis und bald steht ein Workshop-Wochenende an, an dem die Infrastruktur aufgebaut und Wissen weitergereicht werden soll. Und weil wir so nette Nachbar_innen haben, die bestimmt viele Fragen haben und die wir kennenlernen möchten, werden wir bald ein weiteres Kieztreffen organisieren, um auf die neue Nachbarschaft anzustoßen.

Wir freuen uns über Besuch und Hilfe beim Platzaufbau.

Eure Ecke